Ein Fluss ist ein Fluss

 

Wie man einen Fluss bestraft

Es war einmal vor langer Zeit ein Bauer, der ritt auf seinem Esel zum Markt in die Stadt, da er manche Dinge in seinem Dorf nicht verkaufen konnte. Auf seinem Weg musste er einen kleinen Flusslauf überschreiten. An einer Stelle, die er kannte, war der Fluss gewöhnlich flach, so dass man gut hindurch gehen konnte. Da das Flussbett steinig war, stieg er stets ab und ging neben seinem Esel.

Nach einem starken Regen war nun der Wasserstand des Flusses etwas höher als sonst und der Bauer wurde bis zum Gürtel nass. Das ärgerte ihn sehr und er begann zu schimpfen: warum denn die Dorfbewohner seine Waren nicht kaufen würden, warum seine Frau nicht losgeritten war, dass der Esel auch längere Beine haben könnte und warum es nun gerade kurz zuvor so stark geregnet hatte.

„Ich muss zum Markt. Warum trägst du so viel Wasser, du böser Fluss? Du bist schuld, dass ich mich so ärgern muss.“

Er stand im kalten Wasser und wurde immer wütender. Da nahm er seinen Stock und peitschte das Wasser damit aus. Dem Esel, der eine Weile neben dem Bauern gestanden hatte, wurden die Beine auch kalt und er ging ein paar Schritte weiter. Vom trockenen Ufer aus beobachtete er den Bauern, der voller Wut das Wasser peitschte und dabei immer nasser wurde. Während der Esel nach ein paar Minuten wieder trockene Beine hatte, kühlte der Bauer immer mehr aus und fing an zu frieren und zu niesen.
Voller Ärger beschloss der Bauer, wieder zurückzureiten. Auf dem Weg nach Hause erklärte er dem Esel genau, wie er den Fluss bestraft hatte:

„Der Fluss wollte mich ärgern. Er ist schuld daran, dass ich nun erkältet bin. Aber dem hab ich es gezeigt.“

Und wenn er nichts gelernt hat, bestraft er den Fluss noch heute …

(© Steffen Zöhl)

 

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