Strategie durch Selbsttäuschung: Lebenslügen in Beziehungen und ihre Bedeutung
Selbsttäuschung: Selbstbetrug, Illusion, Wunschvorstellung, Einbildung, sich etwas vormachen, verschleiern – ich könnte noch einige Synonyme für Selbsttäuschung aufzählen, um die Lebenslügen in Beziehungen zu betiteln. Wenn Paare (oder einer von beiden) den Weg zu mir finden, um mir ausschweifend und detailverliebt zu erklären, weshalb ein Problem nicht zu bewältigen ist, verstehe ich mich fast als Detektivin.
Durch vertiefendes Nachfragen und durch Übungen, in denen das Unterbewusstsein Antworten gibt, kommen wir den Lebenslügen auf die Spur. Wenn Klienten jedoch glauben, dass diese unveränderlich sind, ist eine Lösung des Problems unmöglich.
Es gibt zwar weit mehr, als sieben Lebenslügen in Beziehungen, jedoch will ich mich in diesem Artikel auf die in meiner Praxis am häufigsten vorkommenden beschränken. Außerdem möchte ich hier keine Anleitung zur Überwindung dieser Lebenslügen bieten, sondern aufdeckend dokumentieren, dass es sie gibt.
⇒ Inhalt: Das erwartet Sie
♥ 1. Lebenslüge durch Selbsttäuschung: Wenn ich XYZ erreiche | erhalte | habe …, dann …
♥ 2. Lebenslüge durch Selbsttäuschung: Allein ändere ich ohnehin nichts
♥ 3. Lebenslüge durch Selbsttäuschung: Das Warten auf den perfekten Moment
♥ 4. Lebenslüge durch Selbsttäuschung: Ich bin halt so!
♥ 5. Lebenslüge durch Selbsttäuschung: Ich habe keine Zeit
♥ 6. Lebenslüge durch Selbsttäuschung: Das erledige ich später
♥ 7. Lebenslüge durch Selbsttäuschung: Es ist zu spät für …
♥ Fazit
1. Lebenslüge: Wenn ich XYZ erreiche | erhalte | habe … dann …
Franz, 37 Jahre, Prokurist, verheiratet, zwei Kinder, kommt zum Coaching, weil seine Frau ihn verlassen will. Sie hat es satt, dass er so wenig für sie und die Kinder da ist. „Dabei arbeite ich doch nur deshalb so viel, um meiner Familie alles zu ermöglichen, was sie sich wünschen. Wir haben ein Haus, zwei Autos, fahren 2 x jährlich in Urlaub und die Mädels nehmen sogar Reitstunden. Ich verstehe nicht, weshalb meine Frau nicht einsieht, dass es im Moment nicht anders geht. Ich muss jetzt so viel arbeiten, damit ich später stellvertretender Geschäftsführer werde. Dann wird auch alles einfacher für uns sein.“
Die „wenn ich erst …, dann …“-Haltung bewirkt, dass Franz das wahre Leben und das Glücklichsein auf später verschiebt.
Nachfolgend einige weitere Beispiele von “wenn ich erst …, dann …”-Einstellungen:
Wenn ich erst …
- mit meinem Studium fertig bin …
- geschieden bin …
- den Führerschein bestanden habe …
- die angemessen bezahlte Stelle erhalte …|
- mehr Likes oder Follower habe …
- mich selbstständig gemacht habe …
- etc. –
DANN bin ich …
- glücklich
- zufrieden
- ausgeglichen
- frei für einen neuen Partner
- erfolgreich
- etc.
Ich kenne kaum jemanden, der nicht in diese „Wenn-dann-Falle“ tappt. Was ich auch erlebe ist, dass, wenn das Ziel erreicht ist, kaum jemand innehält und dieses „ich hab’s geschafft“ feiert. Die meisten Menschen rennen zum nächsten hochgesteckten Meilenstein, ohne mitzubekommen, diesen längst erreicht zu haben.
Menschliches Glück stammt nicht so sehr aus großen Glücksfällen, die sich selten ereignen,
als vielmehr aus kleinen glücklichen Umständen, die jeden Tag vorkommen.
(Benjamin Franklin)
2. Lebenslüge: Allein ändere isch ohnehin nichts
Diese Lebenslüge degradiert ein machtvolles Schöpferwesen zu einem klassischen Opfer. Es zeugt von Bequemlichkeit, Schwäche, Ignoranz oder Hilflosigkeit.
„Allein ändere ich ohnehin nichts“, ist ein Scheinargument, eine Selbsttäuschung und ein Freifahrschein für das Nichtstun. Die unbewusste Erwartung, dass ich allein offensichtlich nichts ändere, bedeutet, dass es zur Tatsache wird.
Wenn 8 Milliarden Menschen sagen, ich allein ändere gar nichts, verharren wir im Altvertrauten, längst überholtem, uns Krankmachendem oder uns existenziell oder gesundheitlich bedrohendem. Das Alte ist gewohnt und fühlt sich sicher an. Ungern legen wir unsere Routinen ab, auch wenn wir uns unzufrieden und schlecht fühlen.
Rita, 43 Jahre und überzeugte Singlefrau ist davon überzeugt, keinen Partner mehr zu wollen. „Die Männer, mit denen ich bisher liiert war, hatten alle solche Macken, dass mir die Lust an Partnerschaft vergangen ist. Wie hätte ich allein etwas ändern sollen, damit ein Zusammenleben besser funktioniert? Die Männer hätten mitziehen müssen.“
Mit diesem Argument zog sie immer schnell die Reißleine. Sie probierte nicht erst aus, was sich verändert hätte, wenn sie die ersten Schritte zu einem veränderten Verhalten gegangen wäre. Nein, denn, „ich allein ändere sowieso nichts“. Dieser falschen Einstellung folgt die Selbsttäuschung auf dem Fuß. Das Wunschbild bleibt verborgen und die Täuschung erhalten.
„Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst für diese Welt.“
(Mahatma Gandhi)
3. Lebenslüge: Das Warten auf den perfekten Moment
Elke, 65, seit 45 Jahren verheiratet, will sich trennen. Seit fast 10 Jahren wartet sie auf den perfekten Moment, ihrem Ehemann dies mitzuteilen. Immer wieder schiebt sie die Aussprache vor sich her. Sie will definitiv die Trennung, denn „ich liebe ihn schon lange nicht mehr und zwischenzeitlich mag ich ihn noch nicht mal mehr riechen.“
Weshalb findet sie nicht den Mut, es ihm zu sagen? Was sind die Gründe, dass sie ihn weiterhin „erträgt“? Welche Erklärungen findet sie selbst? Und – führen diese zur Selbsterkenntnis?
Hier einige ihrer Gründe:
- Weihnachten steht vor der Türe
- Die Enkel kommen zu Besuch
- Erst müssen wir die Silberhochzeit feiern, schließlich weiß kein Mensch von meinen Trennungsabsichten
- Der gemeinsame Urlaub ist schon lange gebucht
- Die Freunde haben eine 1-wöchige Fahrradtour geplant
- Der Ehemann ist krank
- Sie ist krank
Sie will nicht mehr leiden und deshalb ihre Unentschlossenheit überwinden. Immer und immer wieder wartet sie auf den perfekten Moment, auf eine Möglichkeit der Entscheidung.
Jedoch – diesen gibt es nicht. Wenn kein Grund triftig genug ist, das Ruder rumzureißen, gilt: „just do it“. Den Stier bei den Hörnern packen und die längst fällige Aussprache suchen, ist jetzt gefragt. Dabei gibt es kommunikative Regeln zu beachten, die wir vorher miteinander üben.
Ein Mensch würde nie dazu kommen, etwas zu tun, wenn er stets warten würde,
bis er es so gut kann, dass niemand mehr einen Fehler entdecken könnte.
(John Henry Newmann)
4. Lebenslüge: Ich bin halt so!
„Ich bin halt so, und wenn ihm das nicht gefällt, dann soll er gehen.“ Diesen Satz spuckt Henriette regelrecht aus, als sie erzählt, weshalb sie immer wieder mit ihrem Mann aneinander gerät. Dieser sitzt kopfschüttelnd neben ihr und weiß nicht, was er erwidern soll.
„Ich weiß, dass ich mich oft gemein ausdrücke, dass ich so manches auch nicht sagen müsste, doch es ist schneller draußen, als ich denke. So bin ich nun mal, wie sollte ich das ändern?“, stammelt sie noch hinterher.
Damit schiebt sie die Verantwortung für ihr Tun von sich und macht sich gleichzeitig zum Opfer der Umstände. Da sie sich nicht verantwortlich fühlt, braucht sie auch nichts zu verändern.
Kaum eine andere Selbsttäuschung ist ein größerer Erfolgsverhinderer. Sie schränkt die Fähigkeit zur Weiterentwicklung in extrem hohem Maße ein. Alles, was Henriette glaubt zu sein, ist nichts anderes als eine Rolle, für die sie sich jeden Tag neu entscheidet.
Ich will so werden, wie ich sein will, wäre eine erstrebenswerte neue Rolle für Henriette. Besonders deshalb, da sie sich selbst nicht mag, wenn sie so ausflippt, wie oben beschrieben. Der erste Schritt in diese Richtung ist die Erkenntnis, dass sie in der Lage ist, sich zu verändern – wenn sie will. Selbstverantwortung nennt sich das.
„Nur wer sich ändert, bleibt sich treu“
(Wolf Biermann)
5. Lebenslüge: Ich habe keine Zeit
Das ist die verbreitetste und akzeptierteste Lebenslüge weltweit. Akzeptiert, weil es den Anschein erweckt, als wären wir mega gefragt, enorm wichtig oder heiß begehrt.
Fakt ist: Wir alle haben 24 Stunden pro Tag und das sieben Tage die Woche. Keiner mehr – keiner weniger. Diese 1.440 Minuten, die wir pro Tag zur Verfügung haben, füllen wir jederzeit mit den Dingen und Aufgaben, die uns wichtig oder wertvoll erscheinen.
Herbert, 39 Jahre, selbstständig als Versicherungsmakler, kommt, weil ihn seine langjährige Partnerin „vor die Türe gesetzt hat“, wie er es ausdrückt. „Sie versteht nicht, dass ich als Selbstständiger nicht so viel Zeit habe, wie sie als Angestellte. Ich kann nicht so oft zu den gemeinsamen Treffen mit Freunden kommen und die Zeit für den alljährlichen Skiurlaub habe ich auch nicht mehr. Schließlich muss ich sehen, wo ich bleibe. Wenn ich nicht arbeite, verdiene ich nichts.“
Herbert wünscht sich Verständnis von seiner Partnerin. Allerdings bringt er keines für sie auf. Hielte er sich vor Augen, was ihm aktuell wichtig ist und gleichzeitig, was seiner Partnerin wichtig erscheint, würde es sich von alleine erklären, weshalb er seine Zeit so einteilt, wie er es tut.
Ehrlicherweise müsste er sagen: „Andere Dinge haben für mich derzeit eine höhere Priorität“. Er käme aus dem Verteidigungsmodus raus und seine Partnerin aus der Angriffsattacke. Verständnisvolle Gespräche, bei denen sie einen Konsens finden könnten, wären möglich.
„Ein voller Terminkalender ist lange kein erfülltes Leben”
(Kurt Tucholsky)
6. Lebenslüge: Das erledige ich später
Den wichtigen Anruf beim Steuerberater – erledige ich schon noch. Die Trauerkarte für Tante Frieda – schreibe ich später. Den Termin beim Beziehungscoach – mache ich morgen, vielleicht übermorgen. Oder überübermorgen. Und das klärende Gespräch mit meiner Frau – passt am Wochenende besser.
Chronische Aufschieber lassen Dinge, die sie als unangenehm betrachten, oft so lange liegen, bis die letzte Frist verstrichen ist. Prokrastination ist der Fachbegriff für Aufschieberitis. Er ist zu einem Mode-Begriff geworden, da wir alle – mal mehr, mal weniger – aufschieben.
Sabine 29, Verwaltungsangestellte. Sie steht kurz vor der Hochzeit und bekommt nun „kalte Füße“. Ist ihr Verlobter wirklich der Mann, mit dem sie alt werden will? Sie schildert etliche Situationen, in denen ihr Freud mit „das erledige ich später“ antwortet. Anfangs fiel ihr das nicht so auf, inzwischen ist sie genervt.
Sie zählt einige seiner „das erledige ich später-Varianten“ auf:
- Es geht gerade nicht, habe noch etwas Wichtiges zu tun
- Darauf habe ich jetzt keine Lust
- Das hat noch lange Zeit
- Wenn ich Zeitdruck habe, fällt es mir leichter
- Ja, später (daraus wird häufig nie)
- Morgen ist auch noch Zeit dafür
- Wieso denn jetzt?
Sabine ist eher jemand, die die Dinge, die zu erledigen sind, anpackt. „Eat the frog“ ist ihr ein Begriff und sie handelt danach. Gleich morgens wickelt sie die unangenehmsten Aufgaben zuerst ab. Dadurch ist sie so motiviert, dass ihr alles andere leicht von der Hand geht.
Kein Wunder, dass ihr das konträre Verhalten ihres Verlobten gegen den Strich geht.
„Was heute nicht geschieht, ist morgen nicht getan.“
(Johann Wolfgang von Goethe)
7. Lebenslüge: Es ist zu spät für …
„Ich habe es verpasst, jetzt ist es zu spät“, so die seufzend hervorgebrachten Worte von Jens.
Jens ist 27 und seit ihrer gemeinsamen Schulzeit mit Marianne sehr eng befreundet. Immer mal wieder gehen sie miteinander aus. Sie erzählen sich vieles und haben echt Spaß zusammen. Selbst einen Urlaub verbrachten sie gemeinsam. Jedoch immer „nur als gute Freunde“.
Als Marianne ihm erzählt, dass sie sich in einen Mann verliebt hat, wacht er auf. Seit Jahren ist er in Marianne verliebt. Er gestand es sich bis dahin nicht ein – und jetzt ist es zu spät – so seine Überzeugung.
Dass es niemals für irgendetwas zu spät ist, hat er bis jetzt noch nicht erlebt. Im Gegenteil – bisher erfüllte er sich diesbezüglich seine Überzeugungen. Es war zu spät, sich für das Gymnasium anzumelden. Ergo, ging er nur auf die Realschule. Sich für den Lehrberuf des Mechatronikers zu bewerben, kam ihm zu spät in den Sinn. Also begnügte er sich mit der Ausbildung zum Kraftfahrzeugtechniker.
Auch von seinen Eltern hörte er immer wieder „es ist zu spät dafür …“
Diese Lebenslüge zu knacken, ist die Aufgabe von Jens. Er hat es in der Hand, eine neue Erfahrung zu machen. Er darf sich in Bezug auf Marianne sagen: „eines Tages oder Tag Eins“.
„Die beste Zeit, einen Baum zu pflanzen, war vor 20 Jahren.
Die zweitbeste Zeit ist jetzt“
(Chin. Sprichwort)
Fazit:
Diese sieben Selbsttäuschungen, die Lebenslügen, mit denen sich meine Klienten herumschlagen, sind ein Auszug dessen, womit wir alle uns das Leben zu erleichtern versuchen. So meinen wir zumindest. Fakt ist, dass wir eher zu Schöpfern unseres Lebens werden, wenn wir die Mäntelchen des Selbstbetruges ablegen und die Verantwortung für unser Tun oder Lassen übernehmen. Wenn wir aufhören, uns zu belügen und zu täuschen. Wenn wir der Wahrheit ins Auge schauen und Lösungen für unsere Selbsttäuschungen suchen.
Wenn du Hilfe beim Aufdecken deiner Selbsttäuschungen oder beim Verändern der daraus entstehenden Verhaltensmustern möchten, rufe mich an und vereinbare einen Coachingtermin mit mir.
Über die Autorin: Sylvia Bieber
Meine Mission ist Ihre Selbstkompetenz!
Ich liebe es, wenn Klienten nach einem Coaching mit Sätzen wie: „Ich kann das“, „ich mach das“, „ich traue es mir zu“, meine Praxis verlassen und sich selbstbestimmt und unabhängig fühlen.
Gerne helfe ich auch Dir, solltest du Dich frustriert, machtlos oder angstvoll fühlen. Ich zeige Dir, wie Du das ändern kannst – und Deine Lebensfreude kehrt zurück.
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