Liebe ist ein Willensakt
Auf der Fahrt zum Ferienhaus am Meer faßte er einen wichtigen Vorsatz: Zwei Wochen lang wollte er ein liebevoller Ehemann und Vater sein. Rundum liebevoll, ohne jedes wenn und aber. Dieser Gedanke war ihm gekommen, als er im Wagen eine Kassette hörte. Der Kommentator zitierte eine Bibelstelle über rücksichtsvolle Ehemänner. Dann fuhr er fort:
“Liebe ist ein Willensakt. Man kann sich für die Liebe entscheiden”
Was ihn betraf, so mußte er zugeben, daß er ein egoistischer Ehemann gewesen war. Seine Gefühllosigkeit hatte seine Ehe öde werden lassen. Es waren die Kleinigkeiten: Er meckerte mit seiner Frau Evelyn wegen ihrer Langsamkeit, bestand auf dem Fernsehprogramm, das er sehen wollte, warf die Zeitungen vom Vortag weg, auch wenn Evelyn sie noch nicht gelesen hatte. Das alles sollte jetzt für zwei Wochen anders werden.
Und so geschah es von dem Augenblick an, da er Evelyn an der Tür einen Kuß gab. Er sagte: “Der neue gelbe Pulli steht Dir ausgezeichnet!” “Daß Du das merkst, Tom,” sagte sie überrascht und erfreut, vielleicht sogar ein wenig verwirrt.
Nach der langen Fahrt wollte er sich ein bißchen ausruhen und lesen. Evelyn schlug einen Spaziergang am Strand vor. Als er gerade nein sagen wollte, fiel ihm ein, daß sie ja die ganze Woche mit den Kindern hier gewesen war und nun sicher mit ihm ein wenig allein sein wollte. Sie schlenderten am Strand entlang.
So ging es weiter. Zwei Wochen ohne Anruf in seiner Firma, in der er einer der Direktoren war. Dafür besuchte er mit ihr das Muschelmuseum, obwohl er Museumsbesuche haßte. Und er hielt getreu seinem Plan seine Zunge im Zaum, als sie für eine Verabredung zum Abendessen mit Freunden wieder einmal Ewigkeiten brauchte, so daß sie schließlich sogar zu spät kamen.
Der ganze Urlaub war so erholsam und tief beglückend, daß er erneut einen Vorsatz faßte: nämlich nicht zu vergessen, daß man sich für die Liebe entscheiden kann.
Als sie sich am letzten Abend zum Schlafengehen fertiggemacht hatten, blickte Evelyn ihn tieftraurig an. Tom fragte: “Was hast du denn?” “Tom”, sagte sie bedrückt, “weißt Du etwas, was ich nicht weiß?” “Wie meinst du das?” “Na ja…, die Vorsorgeuntersuchung vor ein paar Wochen. Unser Arzt…, hat er dir etwas über mich gesagt? Tom, du warst so lieb zu mir wie nie zuvor. Muß ich sterben?” Er brauchte eine Weile, bis er begriff, doch dann lächelte er geheimnisvoll, nahm sie zärtlich in seine Arme und flüsterte: “Nein, mein Liebling, du mußt nicht sterben. Aber ich fange gerade erst an, zu leben.
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